Konflikte lösen ist eine Kompetenz, die von jedem Menschen gefordert wird. Ob zu Hause oder am Arbeitsplatz, ob im Kindergarten, in der Schule oder unter Führungskräften: Konflikte treten überall dort auf, wo Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen zusammenkommen. Der Konflikt an sich ist dabei nicht das Problem, er kann uns sogar weiterbringen, uns kreativ werden lassen, unser Gespür für die eigenen Wünsche und Bedürfnisse schulen und uns auch interkulturell gesehen weiterentwickeln lassen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn wir ein gutes Konfliktmanagement haben, ansonsten droht ein Streit zu eskalieren. Konfliktmanagement ist dabei eine Fähigkeit, die man gezielt erlernen und fördern kann.
Im Folgenden sollen eine Definition von Konflikt und Konfliktmanagement vorgestellt werden sowie auf Modelle eingegangen werden, die theoretische Aussagen rund um Konflikte und Konfliktmanagement machen.
Was ist Konfliktmanagement?
Ein Konflikt meint das Zusammenprallen von zwei Interessen, Sichtweisen oder Charakteren, die auf den ersten Blick unvereinbar scheinen. Doch was ist Konflikt-Management? Die Definition beschreibt Konfliktmanagement als Fähigkeit, gezielt lösungsorientierte Strategien oder Maßnahmen anzuwenden, die eine Konflikteskalation verhindern sollen. Menschen, denen das sehr gut gelingt, haben eine ausgeprägte Konfliktlösungskompetenz.
Das gezielte Management von Auseinandersetzungen und Problemen, privat oder am Arbeitsplatz, setzt dabei nicht darauf, dass manche Personen von Natur aus empathisch auftreten und sich gut in andere hineinversetzen können, damit vielleicht schon von ihrem Naturell her eine hohe Konfliktlösungskompetenz mitbringen. Ein gutes Konfliktmanagement trainiert gezielt verschiedene Techniken der Kommunikation, die eine Deeskalation des Zielkonflikts anstreben (siehe z.B. die Methodik der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg).
Gelingt ein systematisches Angehen von unterschiedlichen Problemsituationen, können zentrale Streitpunkte dank Konfliktlösungsstrategien zugunsten einer Win-win-Situation beigelegt werden. Somit wird nicht nur der primäre Konflikt rasch beendet, sondern auch seine Ausbreitung auf weitere Personen oder Gefühlsebenen verhindert.
Werden Konfliktparteien in professioneller Konfliktbewältigung geschult, erlernen sie wichtige Kompetenzen, mit denen sie auch zukünftige Konflikte kompetent und konstruktiv bearbeiten können.
Konflikt-Management: Konfliktphasen bzw. Eskalationsstufen nach Glasl
Friedrich Glasl hat ein so genanntes Konflikt-Eskalationsmodell entwickelt, mit welchem sich nachvollziehbar erklären lässt, nach welchen Mustern Streitigkeiten oft ablaufen und welche psycholgische Mechanismen hierbei eine Rolle spielen. Dieses Modell greift sowohl bei Konflikten am Arbeitsplatz oder in Organisationen, aber auch bei Konfliktparteien, die Probleme im rein privaten Bereich haben (de.wikipedia.org/wiki/Konflikteskalation_nach_Friedrich_Glasl).
Um Konflikte verstehen und Konflikte lösen zu können, muss man sich zunächst damit beschäftigen, wie sie überhaupt entstehen können, dabei gibt es nach Glasl neun verschiedene Stufen / Phasen zu beobachten:
- Verhärtung: Grundsätzlich ist festzuhalten, dass jeder Konflikt so beginnt, dass die unterschiedlichen Standpunkte der einzelnen Konfliktparteien zunächst verhärtet sind. Ohne ausreichende Erfahrungen im Umgang mit unterschiedlichen Positionen oder ohne Moderation von außen, die auf Mediation (siehe Mediationsverfahren) oder auf das Einsetzten bestimmter Gesprächsführungstechniken setzt, kommt es rasch zur Konflikteskalation. An deren Ende steht nicht selten der Wille, das Gegenüber vernichten zu wollen, auch, wenn dies bedeuten würde, selbst alles dabei zu verlieren. Bei der ersten Stufe der Konflikteskalation steht eine Verärgerung im Raum, die aber nicht dazu führt, dass man den anderen konkret auf Gründe anspricht. Somit verhärten sich auch die Standpunkte der Konfliktparteien.
- Polarisation & Debatte: In einer zweiten Stufe ist es bereits nicht mehr möglich, den persönlichen Ärger zugunsten einer totalen Eskalation herunterzuschlucken. Vielmehr wird die Situation emotional befeuert, es kommt zur Schwarz-Weiß-Darstellung von einzelnen Situationen, die nur noch die Extreme kennen.
- Taten statt Worte: In einer dritten Eskalationsstufe ist das Ziel der Parteien nicht mehr die konstruktive Gesprächsführung, sondern es geht darum, sich durch Taten wie Schmollen, Blockieren bewusst gegen den anderen zu stellen.
- Sorge um Image und Koalition: Somit kommt es auch zur vierten Stufe, in der sich einzelne Koalitionen bilden. Jeder, der am Konflikt beteiligt ist, sucht sich gezielt mit Einzelnen zu verbünden, die vermeintlich den eigenen Standpunkt teilen. Um die eigentlichen Ursachen eines Konflikts geht es an dieser Stelle nicht mehr, eine Win-win-Situation ist nicht mehr gewollt.
- Gesichtsverlust: Vielmehr ist das erklärte Ziel der einzelnen Parteien nun, dass der „Gegner“ öffentlich sein „Gesicht“ (seine Glaubwürdigkeit) verliert und man selbst als (moralischer) Sieger aus der Auseinandersetzung hervorgeht.
- Drohstrategien: Die Eskalationsstufe sechs beschäftigt sich mit den nun einsetzenden offenen Drohungen. Mit einem solchen Konfliktverhalten geht auch der meist vergebliche Wunsch einher, zugunsten des eigenen Lagers doch noch den Konflikt unter Kontrolle zu bekommen, indem man anderen zum Beispiel konkrete Repressalien androht oder ein Ultimatum stellt.
- Begrenzte Vernichtungsschläge: Die siebte Eskalationsstufe bezeichnet Glasl wortwörtlich als Phase der begrenzen Vernichtungsschläge. Ziel der Parteien ist es, den anderen bloßzustellen und, alltagssprachlich ausgedrückt, „fertigzumachen“, den größtmöglichen Schaden zuzufügen, den die jeweilige Situation hergibt.
- Zersplitterung: Ähnlich verhält es sich bei der Eskalationsstufe acht, in der den am Konflikt Beteiligten jedes Mittel legitim erscheint, um den Kontrahenten zu vernichten. Das Unterstützersystem des Gegners soll mit Vernichtungsaktionen zerstört werden.
- Gemeinsam in den Abgrund: Somit ist auch die neunte Eskalationsstufe eine logische Folge: Die Streitenden haben sich so sehr auf die totale Vernichtung des anderen fokussiert, dass selbst die eigene Vernichtung dafür in Kauf genommen wird. Damit kann zum Beispiel der eigene Verlust des Arbeitsplatzes oder das Ruinieren der eigenen Ehe gemeint sein. Es gibt aber auch Menschen, die selbst den eigenen Tod in Kauf nehmen würden, um einen anderen ins Verderben zu stürzen.
Das „Dramadreieck“: Opfer, Retter, Verfolger
Ein anderes Modell, welches das Entstehen von Streitsituationen erklärt, ist das Dramadreieck. Dieses wurde vom US-Psychologen Karpman entwickelt. Kern des Dramadreiecks ist die Analyse dreier Rollen, die nach Karpman in zwischenmenschlichen Beziehungen eine entscheidende Rolle spielen.
In Konfliktsituationen gibt es danach immer drei Rollen, die sich gegenseitig bedingen und auch wechseln: Opfer, Retter und Verfolger (vgl. de.wikipedia.org/wiki/Dramadreieck, karpmandramatriangle.com).
Bezieht man solche Modelle auf die Situation im Betrieb, so ergeben sich Konflikte beispielsweise aus der häufig anzutreffenden Situation, dass für Führungskräfte die Notwendigkeit besteht, Mitarbeiter wegen schlechter Arbeitsergebnisse anzumahnen (siehe auch Führungskommunikation). Selbst wenn dies als Führungsaufgabe legitim im Grundsatz erscheint, macht man sich damit in den Augen der Mitarbeiter zunächst zum Verfolger. Möglicherweise versucht nun jemand aus dem Betrieb eine Erklärung das schlechte Resultate zu bringen und erfüllt damit die Position des Retters. Ankündigungen, in diesem Kontext gezwungenermaßen Mitarbeiter entlassen zu müssen, lassen eine Führungskraft im Betrieb oder in Organisationen nun aber wieder die Rolle des Opfers ausfüllen. Wird versucht, gezielt eine Person für das schlechte Resultat verantwortlich zu machen, so wird gleichzeitig auch wieder eine Rolle des Verfolgers eingenommen. Nun können wieder Retter in den Konflikt eintreten, also solche Mitarbeiter, die wiederum versuchen, einen anderen in Schutz zu nehmen und dessen angebliche Schuld zu relativieren.
Zum einen ist hierbei wichtig, dass diese Rollen zwar wechseln, sich aber auch gegenseitig bedingen und somit einen Zielkonflikt auch immer am Laufen halten. Zum anderen ist an diesem Modell entscheidend, dass es sich bei dem Dramadreieck um die Darstellungen eines manipulativen Systems handelt. Negative Emotionen und Vorwürfe werden vom einen zum anderen geschoben mit dem Ziel, damit etwas erreichen zu können. So sind typische Verhaltensweisen eines Verfolgers das ständige Kritisieren und Demütigen anderer, was das typische Opfer seinerseits damit pariert, auf den ersten Blick devot und ohnmächtig zu wirken, damit aber gleichzeitig durch den Appell an das schlechte Gewissen anderer zu handeln und auch andere Menschen bewusst oder unbewusst in die Rolle des Verfolgers hineindrängen.
Auch der Retter handelt manipulativ, indem er in solchen Eskalationsstufen andere herabsetzt, damit er selbst besonders gut dasteht. Festzuhalten ist, dass bei einem solchen Konfliktverhalten keine Win-win Situation entstehen kann. Vielmehr bilden im Team alle eine Art neurotische Zwangsgemeinschaft, in der jeder in seiner aktuellen Rolle vor allem Anerkennung und Aufmerksamkeit bekommen möchte. Auf diese Art und Weise zu streiten dient jedoch nicht der Deeskalation, sondern befeuert Konfliktarten im Unternehmen immer weiter.
Der Ausstieg aus solchen Eskalationsstufen gelingt im Team nur dann, wenn durch die Mitarbeiter selbst oder professionelles Coaching entlarvt wird (siehe Coachen), wer welche Rolle hat und dass es sich faktisch um ein manipulatives Spiel handelt, welches aber keinesfalls einer Konfliktlösung dient. Die Rollen müssen als solche identifiziert und künftig konsequent abgelehnt werden. So müssen vermeintliche Opfer in Projekten erkennen, dass Jammern nichts bringt und stattdessen Bestrebungen in Richtung Unabhängigkeit von anderen bemüht werden sollten. Wer im Unternehmen immer den Retter spielen soll, kann sich auch bewusst dafür entscheiden, andere Kollegen mit in die Verantwortung zu nehmen und damit auch kein ideales Opfer mehr zu sein, wenn es doch hakt. Menschen im Betrieb, die sich damit auseinandersetzen müssen, als unangenehme Verfolger wahrgenommen zu werden, müssen durch Coaching, Training und Übungen gezielt lernen, konstruktiv zu kritisieren anstatt andere zu demütigen.
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Die Bedeutung von Konfliktkompetenz
Gerade im Betrieb, aber auch in jeder anderen sozialen Situation, ist eine konstruktive Streitkultur und gegebenenfalls professionelles Konfliktmanagement dort dringend nötig, wo tägliche Reibereien und eine falsche Art zu streiten Beziehung zerstören und die Gesamtstimmung kippen können. Am Arbeitsplatz gilt Konfliktbearbeitung deswegen auch als Führungsaufgabe. Für Führungskräfte ist es deswegen wichtig, Techniken für konstruktive, professionelle Gesprächsführung, Lösungsstrategien bei Konflikteskalation sowie Mediation und Moderation zu beherrschen.
Konflikte lösen zu wollen sollte deswegen auch das ehrliche Interesse sein. Wissen rund um die Kommunikation und das Einsetzen von Konfliktlösungsstrategien bringt nicht jede Führungskraft und schon gar nicht jede Privatperson von Haus aus mit. Entsprechend kann man sich durch Coaching und Training im Rahmen spezieller Seminare in Methoden der Gesprächsführung ausbilden lassen (vgl. Führungskräftecoaching). Eine solche Schulung kann man für sich selbst, aber auch für ein ganzes Team in Anspruch nehmen. Eine solche Weiterbildung oder Fortbildung kann Regeln für die Kommunikation in Projekten erarbeiten lassen, aber auch durch Übungen und Beispiele die Wahrnehmung für Konflikte schulen. Oft mangelt es an gegenseitiger Empathie, so dass Regeln rund ums Konfliktmanagement nicht auf fruchtbaren Boden fallen können.
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Eine Schulung oder ein Seminar kann aber mit Übungen vermitteln, welche Bedeutung Konfliktkompetenz und Konfliktfähigkeiten für ein Team haben und wie sich ständige Opfer in Auseinandersetzungssituationen fühlen. Ist allen die Tragweite von Win-win Situationen klar, werden Tipps und Regeln oft besser angenommen. Eine beliebte Methode einer solchen Fortbildung ist deswegen das Rollenspiel. Im Rollenspiel kann man effektiv Lösungsansätze erarbeiten, auch solche mit interkultureller Bedeutung, und solche Lösungsansätze dann auch direkt praktisch anwenden.
Konflikte souverän handhaben – Tipps zum Verbessern der Konfliktkompetenz
- Konfliktlösung durch Fokussierung auf die Sachebene: Konflikte entstehen oft nicht wegen unserer Botschaft auf der Sachebene, sondern wegen vermeintlicher verbaler Angriffe auf den anderen. Nach dem so genannten Eisbergmodell spielen sich 80-90% einer Botschaft im Bereich von Gefühlen und eher unsachlichen Interpretationen ab. So, wie ein Eisberg zu 80-90% unter Wasser ist, befinden sich nach dem Eisbergmodell etwa 80-90% unserer Botschaft im auf den ersten Blick verborgenen Bereich. Nur wenig von dem, was wir sagen, wird vom Gegenüber auf dem Sachohr gehört, sondern z.B. auf dem Beziehungsohr! Darüber muss man sich bewusst sein und dieses Problem eventuell auch als solches im Gespräch identifizieren und damit bewusst machen.
- Methoden der Gesprächsführung erlernen: Ob für den privaten oder den beruflichen Bereich – Konflikte entstehen oft aus einer „falschen“ Art zu kommunizieren. Wissen und praktische Beispiele über eine konstruktive Art und Weise der Gesprächsführung eignen sich sehr gut als Themen der Weiterbildung und können dazu beitragen, dass Konfliktsituationen gar nicht erst entstehen (vgl. auch: empathische Gesprächsführung).
- Konfliktkompetenz zur Chefsache machen: Den Umgang mit Konflikten am Arbeitsort sollte man nicht dem Zufall überlassen oder davon ausgehen, dass erwachsene Personen Streitigkeiten schon produktiv unter sich klären können. Führungskräfte müssen zum einen ein gutes Ohr für die leisen Töne haben, wenn es um Streitereien und ihre Ausbreitung geht (siehe Führungskommunikation). Wartet man zu lange, schwelen Konflikte längst nicht mehr nur an der Oberfläche, sondern haben sich auf weite Teile der Belegschaft ausgebreitet. Lösungsstrategien müssen hierbei dann zuerst aus der Führungsetage kommen, auch unter Berücksichtigung professioneller Coachings, die das Team aus dem Konflikt holen und Strategien für die Zukunft trainieren.
- Kompetenzen bei Konflikten schon bei Kindern stärken: Schon sehr junge Kinder können verstehen, dass es unterschiedliche Arten zu streiten gibt (siehe konstruktiv streiten lernen). Auch in Kita und Schule kann man vermitteln, dass Lösungsstrategien im Streitfall darauf ausgerichtet sein sollen, dass am Ende alle ein gutes Gefühl haben. Hierzu müssen Erzieher und Lehrer über entsprechendes Wissen verfügen und didaktisch altersgemäß aufbereitetes Material besitzen, sie können aber auch spezielle Kurse für Kinder nutzen. Aber auch Eltern müssen sich darüber bewusst sein, dass ihre eigene Art und Weise zu streiten und Konflikte auszutragen, sich maßgeblich auf die Kinder überträgt. Wer innenfamiliär schon als Kind konstruktive Konfliktlösung unbewusst erlernt, hat beste Voraussetzungen dafür, auch als Erwachsener privat und beruflich ein gutes Konfliktmanagement zu entwickeln.