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Gehemmte Depression – Was ist das? Und wie erklärt es „komisches“ soziales Verhalten?

Depressionen gehören in der heutigen Gesellschaft zu den häufigsten Erkrankungen und sind laut Statistiken 2020 sogar zur zweithäufigsten Todesursache avanciert. Nach Angaben der WHO leiden weltweit etwa 350 Millionen Menschen an einer affektiven Störung oder Depressionen, in Deutschland verfällt etwa jeder fünfte mindestens einmal im Leben in eine depressive Phase, wobei den Großteil dieser Erkrankungen Schübe der gehemmten Depression ausmachen, die sich durch ein inneres Leeregefühl, Antriebslosigkeit, psychische und kognitive Blockaden und Unfähigkeit, Freude oder andere Emotionen zu empfinden auszeichnet. Es handelt sich bei der gehemmten Depression um jene Form der Erkrankung, die den meisten als „typische Depression“ bekannt ist, wobei in der Statistik der WHO aber auch Krankheitsfälle der agitierten, larvierten, psychotischen und atypischen Depression berücksichtigt werden.

Formen der Depression

Obgleich die oben genannten depressiven Erkrankungen unter dem Dachbegriff Depression zusammengefasst werden, ist es hinsichtlich der Diagnose, des Verlaufes, der Behandlung und der Prognose entscheidend, die einzelnen Unterarten zu differenzieren. Man unterscheidet:

  • die gehemmte Depression, die mit Melancholie und innerer Leere einhergeht,
  • die agitierte Depression, die von hektischem Tun, Rastlosigkeit und ängstlicher Anspannung geprägt ist,
  • die larvierte Depression, bei der funktionelle Organstörungen vordergründig sind, die die Diagnose erschweren,
  • die psychotische Depression, deren Betroffene wahnhafte Glaubenssätze auf sich laden wie etwa Verfolgungswahn, Verarmungswahn, den Glauben sich versündigt zu haben oder Schuld an etwas zu haben. Auch visuelle und akustische Halluzinationen gehören hierzu, ebenso wie der Zwang sich selbst zu schädigen und zu verletzen, und
  • die atypische Depression, die sich durch extreme Empfindsamkeit oder Essanfälle und dadurch verursachte Gewichtszunahme äußert.

Charakteristika der gehemmten Depression

Einführend kann dieses kurze Video veranschaulichen, wodurch sich Depressionen im Allgemeinen auszeichnen:

Obwohl das Krankheitsbild an gehemmten Depressionen leidender Menschen stark variiert, sind doch einige Merkmale der Erkrankung charakteristisch.

  • Primär äußert sie sich durch eine veränderte Stimmungslage, die jedoch nicht immer gezeigt wird.
  • Betroffene empfinden Teilnahmslosigkeit, Interessensverlust und ein kontinuierliches Schwinden der Lebensfreude.
  • Sie sehen sich zunehmend als Zuseher ihres eigenen Lebens, die Zeit steht für sie still, wird inexistent und belanglos, wie sie selbst.
  • Häufig beschreiben Erkrankte das Gefühl, von einer Leere umgeben zu sein, in der sie sich mehr und mehr auflösen, zu der sie mehr und mehr werden würden, was in der Psychologie als „Depersonalisation“ bekannt ist.
  • Die gleichzeitige Entfremdung ihrer Umwelt, auch „Derealisation“ genannt, bezeichnet ein Gefühl, dass alles um diese leere Existenz als surreal empfunden wird und daher selbst das eigene Umfeld nicht mehr in der Lage ist, Vertrautheit in gehemmt depressiven Menschen auszulösen (vgl. Wie gehe ich mit depressiven Menschen um?).
  • All diese Entfernungen vom Bekannten führen zunehmend dazu, dass die eigene Existenz und das eigene Tun als sinnlos empfunden werden, wodurch es zu Lebensüberdruss kommt.

Doch auch auf kognitiver Ebene sind die Folgen einer gehemmten Depression weitreichend. Durch die beinahe lethargische Stimmungslage kommt es zu Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwäche, zu verlangsamten Denkprozessen, die sich auch in verlangsamtem Sprechen niederschlagen können und zu einer Verschlechterung der Gedächtnisleistung, weshalb oftmals fälschlicherweise eine Demenz diagnostiziert wird. Was auch unter Pseudodemenz bekannt ist, lässt sich oftmals nur schwer von tatsächlicher Demenz unterscheiden, da gerade in deren Anfangsstadium Depressionen entstehen können.

Depressive Erkrankungen führen mit Suchterkrankungen die Liste der Ursachen für Suizide an. Die Gefahr, die von Selbstmordgedanken ausgeht, die weder geäußert noch behandelt oder bemerkt werden, zeichnet sich in der Suizidquote von 10 pro 100.000 Einwohnern in Deutschland aus. Nicht selten handelt es sich auch um Mitnahmeselbstmorde, etwa bei Müttern von überlebensunfähigen Neugeborenen und bei vom Partner Betrogenen.

Depressionen verharren häufig nicht auf psychologischer Ebene sondern lösen mitunter auch körperliche Beschwerden, bis hin zu starken Schmerzen aus. Nicht nur bei der somatisierten (larvierten) Depression, auch bei der gehemmten Depression können ein Gefühl von Druck im Kopf oder Brustkorb, schwere Gliedmaßen und Schlafstörungen empfunden werden, die im weiteren Verlauf zu Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit und damit den negativen Konsequenzen der Unterversorgung des Körpers mit Nährstoffen führen können.

Untersuchungen

Da ein langes Existieren der gehemmt depressiven Erkrankung deren Chronifizierung fördert, ist eine möglichst rasche Diagnose und Behandlung für die Heilung essenziell. Dieser steht jedoch häufig das Schamgefühl Betroffener entgegen, das dazu führt, dass die gehemmte Depression vom Umfeld nicht wahrgenommen wird und die Betroffenen sich nicht in Behandlung begeben, da sie sich ihrer Erkrankung schämen oder sie nicht akzeptieren wollen, dass sie Hilfe benötigen.

Ist die Einsicht jedoch gegeben können bereits durch einen Besuch beim Hausarzt die Weichen für eine adäquate Behandlung gestellt werden, die zunächst eine körperliche Untersuchung vorsehen sollte, um mögliche organische, insbesondere neurologische Ursachen auszuschließen. Können körperliche Ursachen ausgeschlossen werden, ist der nächste Schritt die Exploration, ein intensives psychodiagnostisches Gespräch mit einem Psychiater oder Psychologen, damit eine Einschätzung des Schweregrades der Erkrankung möglich ist.

Psychologen und Ärzte gehen dabei nicht nur auf die Äußerungen des Betroffenen ein, sondern nehmen auch Einschätzungen seiner Mimik, Gestik und Körperhaltung vor. Es ist von essenzieller Bedeutung, dass eventuell vorhandene Suizidgedanken ausgeforscht werden, selbst wenn diese nicht geäußert werden. Empfindet der Betroffene den Wunsch zu sterben, bzw. sich selbst zu töten und kann nicht sichergestellt werden, dass er diesem Drang nicht nachgehen wird, ist eine Zwangseinweisung unumgänglich

Diagnostik der gehemmten Depression

Die WHO unterscheidet drei Schweregrade der Depression, nach denen auch die gehemmte Depression beurteilt wird. Die Einschätzung des Schweregrades beeinflusst in weiterer Folge die Behandlung sowie die gesetzten Maßnahmen.

  • Im Stadium der leichten Depression sind Niedergeschlagenheit, Verlust an Interesse oder Freude und erhöhte Müdigkeit für mindestens zwei Wochen vorherrschend.
  • Bei einer mittelgradigen gehemmten Depression treten zu diesen Aspekten noch zwei oder drei weitere hinzu, sodass sich Betroffene nur mehr mit Schwierigkeiten in ihrem Alltag zurechtfinden und Arbeit ebenso wie das Aufrechterhalten sozialer Kontakte große Anstrengung erfordert.
  • Liegt eine schwere Depression vor ist die Gehemmtheit derart gravierend, die Lebensmüdigkeit so unerträglich, dass die Betroffenen Suizidgedanken entwickeln. Zu diesem Zeitpunkt leben gehemmt Depressive häufig schon zurückgezogen und können ihrem Beruf nicht mehr nachgehen.

Sind die depressiven Verstimmungen nicht permanent spürbar, treten aber wiederholt auf, spricht man von rezidivierenden depressiven Störungen. Ebenso können chronisch-depressive Verstimmung in leichterer Form auftreten, die sogenannte Zyklothymia.

Testungsverfahren

Als Reaktion auf die steigende Zahl von Erkrankten wurden zahlreiche Inventare erfunden, durch die sich Depressionen befunden lassen. Grob lässt sich zwischen Selbst- und Fremdeinschätzungstests unterscheiden, des weiteren existieren aber auch differenzierte Fragebögen für bestimmte Altersgruppen, etwa für Senioren, bei denen mit dem Einsetzen einer Demenz häufig gehemmt depressive Phasen einsetzen. Anerkannte Testungen sind beispielsweise der Beck-Test zur Selbstbeurteilung sowie die Hamilton-Depressions-Skala für eine Befundung von außen, etwa durch einen Arzt oder Psychologen.

Entstehung einer gehemmten Depression

Es wird davon ausgegangen, dass gehemmte Depressionen sowohl durch Veranlagung als auch durch individuelle Erfahrungen entstehen. Sind depressive Verstimmungen eher weniger auf psychologische Geschehnisse zurückzuführen, ist von einer starken Disposition zur Erkrankung auszugehen, wobei immer auch die persönliche Fähigkeit zur Resilienz und Coping-Strategien einen erheblichen Anteil daran hat, welche Ereignisse als belastend bzw. als wie belastend empfunden werden. Dem Zusammenspiel genetischer Programme, früh entstandener dispositioneller Prägungen und späterer Lebensumstände als Depressionen bedingende Faktoren wird im bio-psycho-sozialen bzw. Diathese-Stress-Modell Rechnung getragen.

Besondere Relevanz in Bezug auf psychologisch traumatisierende Erlebnisse wird den ersten Lebensmonaten, allem voran in Hinblick auf die Mutter-Kind-Beziehung zugeschrieben, da unter anderem emotionale Vernachlässigung oder ängstigende Trennung zu einer vermehrten Ausschüttung von Stresshormonen führen kann, die eine adäquate Entwicklung der Verbindung von neuronalen Netzwerken beeinträchtigen kann.

Unabhängig von der Entstehung ist aber allen Depressionserkrankungen gemeinsam, dass eine Anomalie des Hirnstoffwechsels vorliegt, die vor allem in einem Ungleichgewicht der Botenstoffe Serotonin und Dopamin besteht. Aber auch Organkrankheiten können gehemmte Depressionen auslösen, wie etwa eine Schilddrüsenunterfunktion, die Schwäche, und Antriebsverlust verursacht oder eine zu wenig Kortisol produzierende Nebenniere, auch bekannt als Addisonsche Krankheit. Auch Stoffwechselstörungen, wie etwa eine verminderte Entgiftungsfunktion der Nieren oder der Leber (z.B. bei Leberzirrhose, bei Zuckerkrankheit,…) können gehemmte Depressionen fördern, ebenso wie Erkrankungen des Zentralnervensystems und Infektionskrankheiten wie Tuberkulose.

Depressionen können auch eine Reaktion des Körpers auf eine bedrohliche Herzkrankheit, z.B. wie einen Infarkt sein. Ebenso ist aber auch bekannt, dass etwa Faktoren wie Schlafmangel und ein gestörter biologischer Tag-Nacht-Rhythmus die Depressionsentstehung fördern können. Auch ungünstige Lebensumstände, sprich Armut, Arbeitslosigkeit und als Beeinträchtigung empfundene Handlungsunfähigkeit begünstigen gehemmte Depressionen.

Therapie der gehemmten Depression

Eine adäquate Behandlung hat sich an der Ursache, dem Verlauf und der Kooperation des Betroffenen zu orientieren. In jedem Fall ist eine gute Beziehung zwischen Patient/Klient und Psychologe essenziell für den Erfolg. Es stehen diverse Behandlungsmethoden zur Verfügung, wobei Verhaltenstherapie, Schematherapie und Tiefenpsychologie am häufigsten angewandt werden. Zusätzlich oder unabhängig von der Psychotherapie kann aber auch eine medikamentöse oder biologische Therapie zielführend sein.

Rehabilitation und Prophylaxe

Wie gut die Heilungschancen einer gehemmten Depression sind, lässt sich aufgrund der stark variierenden Grade, Verläufe, Ursachen und individuellen Bedingungen nicht erheben. Unbestritten ist jedoch, dass Früherkennung sowie sofortiges Inanspruchnehmen einer Therapie bei erneutem Auftreten der Symptome zumeist verhindern können, dass es zur Chronifizierung kommt. Kurze Phasen gehemmt depressiver Verstimmungen haben, sofern die Ursachen bekannt, vergänglich und bestenfalls veränderlich sind, auch ohne Therapie gute Heilungschancen, gehen diese Phasen jedoch in einen Zustand permanenter Lethargie über, der sich der Betroffene auch langfristig nicht mehr entziehen kann, kann es ohne professionelle Hilfe von außen zur Chronifizierung kommen. Der wichtigste Faktor ist demnach die Einsicht, sowie das Bewusstsein, dass es keine Schande ist, eine gehemmte Depression entwickelt zu haben und Psychotherapie in Anspruch zu nehmen.

Die beste Therapie ist jedoch eine angemessene Prophylaxe. Abgesehen von unbeeinflussbaren Krankheiten ist für die Vorbeugung von gehemmten Depressionen die Pflege der eigenen Psyche und die Gesunderhaltung des Körpers essenziell. Eine gesunde Lebensweise, sowohl in Bezug auf Ernährung und Sport als auch hinsichtlich der Stressreduktion und einer ausgeglichenen Work-Life-Balance, sind somit wirksame Mittel um jene Komponente der Deppressionsentstehung, die nicht durch Prädisposition gegeben ist, zu beeinflussen. Zusammenfassende Informationen liefert auch dieses kurze Video: https://www.youtube.com/watch?v=gq1JoZdTtUc

Quellen und weiterführende Materialien:

  • https://www.angst-verstehen.de/larvierte-depression/
  • https://www.angst-verstehen.de/agitierte-depression/
  • https://www.augsburger-allgemeine.de/wissenschaft/Depression-koennte-2020-zweithaeufigste-Todesursache-sein-id37473692.html
  • Payk, Theo R.: Depression. München (u.a.): Reinhardt Verlag 2010 (E-Book).