Welche Fähigkeiten, Eigenschaften und Kompetenzen braucht man als Existenzgründer?
Sind Gründer und Unternehmer andere Menschen?! Ja und nein. Sie sind so anders und verschieden, wie andere Menschen auch. Dennoch haben viele Unternehmensgründer einige Eigenschaften und Kompetenzen gemein. Das lässt es naheliegend erscheinen, einmal nach typischen „Soft Skills für Gründer“ zu fragen. Die Antwort(en) auf diese Frage geben einige pauschal-gültige, oder zumindest in viele Fällen plausibel wirkende Etiketten und Begriffe aus dem „Soft Skills“-Topf zurück. Doch die Wahrheit ist auch: Welche Skills und Kompetenzen ein angehender Unternehmer tatsächlich braucht, hängt vom Geschäftsfeld und Geschäftsmodell ab. Das gilt ganz analog zur Tatsache, dass nicht jeder Job die gleichen Anforderungen an den Kompetenzprofil des jeweiligen Angestellten stellt: Ob Friseur oder Investmentbanker, ob Dachdecker oder Wirtschaftsprüfer, ob Restaurantleiter oder Entwicklungsingenieur bei einem Autobauer – alle Jobs erfordern teilweise unterschiedliche Fähigkeiten und Persönlichkeitseigenschaften. Dennoch: Wenn man die Frage nach den „wichtigsten Soft Skills für Existenzgründer“ zumindest ansatzweise zu beantworten versuchen will, dann kommen zumindest die folgenden Skills zügig auf den Tisch:
- Initiative und Ausdauer
- Selbstbewusstsein
- Überzeugungsvermögen
- Verhandlungsgeschick
- Zeitmanagement-Kompetenz
Starten, vorantreiben, vermarkten, sich selbst managen…
Wenn wir uns die obige Liste von 5 Soft Skills für Gründer anschauen, dann fokussieren diese vor allen Dingen auf Skills, die man zum Starten, Vorantreiben, Vermarkten (andere überzeugen) und letztlich Sich-selbst-organisieren braucht.
Ohne Initiative und Ausdauer wird bei keiner Gründung erfolgreich etwas passieren, tatsächlich kommt es gar nicht erst zu einer Unternehmensgründung bzw. Anmeldung einer selbstständigen Tätigkeit. Man könnte hier auch Mut nennen, den wir aber nicht explizit in unserem Modell des Soft Skills Würfels als Skill-Element haben. Letztlich geht es aber nicht nur darum, loszulegen. Genauso wichtig ist es, am Ball zu bleiben, sprich: mit Ausdauer seine Idee und Ziele zu verfolgen. Sich nicht durch Rückschläge vom Weg abbringen zu lassen. Einen langen Atem zu haben, wenn der Break-even sich lange Zeit nicht einstellen will…
Wenn wir von Mut zur Initiative und Mut zu Gründung sprechen, dann landen wir schnell auch beim Soft Skill „Selbstbewusstsein“. Selbstbewusstsein hat dabei in seiner Begrifflichkeit mehrere Facetten: Einerseits natürlich den Aspekt des „Mut haben“ und „mutig sein“ – das „ich traue mich, das Risiko einer Gründung einzugehen, denn ich glaube an mich, an meine Fähigkeiten“. Der andere Aspekt von „(sich) selbst()bewusst()sein“ bezieht sich auf die Selbstkenntnis. „Sich selbst kennen“ bedeutet: Zu wissen, was man kann, man nicht kann, was man sich zutrauen kann, was einen überfordern wird, was man besser delegiert (siehe Delegationsfähigkeit), was einen antreibt und motiviert (siehe Motivierung / Motivation), was einen ausbremst. Es bedeutet insofern auch: Seine Stärken und Schwächen zu kennen (siehe persönliche Stärken und Schwächen Analyse), seine Ängste zu kennen, und seine Strategien und Möglichkeiten zu können, eben mit Ängsten, Problemen, Überforderungssituationen und inneren wie äußeren Konflikten umzugehen. Denn klar ist auch: Selbst wenn sich viele Gründer-Stories im Nachhinein wie ein tolles Märchen lesen (oder zumindest von den Redakteuren und/oder PR-Schreiberlingen so dargestellt werden) – kaum eine Unternehmens- und Unternehmergeschichte ist eine einfache Reise gewesen. Sondern: die Summe von viel harter Arbeit, vielen Rückschlägen, vielen Herausforderungen, vielen Selbstzweifeln, vielen Konflikten und Problemen. Und natürlich muss man sich mit dem „Markt“ herumschlagen, mit den Wettbewerbern, mit Kunden, mit Banken etc. – die größte Herausforderung ist man oftmals aber SELBST. Die eigenen Selbstzweifel, die eigene Ungeduld, die Zerrissenheit, die einsetzt, wenn man zu viele Baustellen, Wünsche und Werte hat, die alle in Zielkonflikten knapper Ressourcen miteinander und gegeneinander ringen… – Und genau hier spielen die vorgenannten Soft Skills Anforderungen aus den Bereichen Ausdauer wie auch Selbstbewusstsein / Selbstkenntnis eben eine wichtige Rolle.
Selbstbewusstsein als Soft Skill im Soft Skills Würfel von André Moritz
Selbstbewusstheit und Selbstkenntnis
Selbstbewusstsein ist die Fähigkeit, sich selbst bewusst wahrzunehmen, zu kennen und zu bewerten. Dies beinhaltet die Kenntnis persönlicher Stärken und Schwächen, Vorlieben und Abneigungen sowie eine möglichst objektive Einschätzung und Bewertung der eigenen …
Initiative und Ausdauer im Soft Skills Würfel von André Moritz
Initiative und Ausdauer als Soft Skill spiegeln die persönliche Bereitschaft und Fähigkeit wieder,
Aktionen und Prozesse proaktiv und selbstbestimmt anzustoßen und
Maßnahmen umzusetzen, Aufgaben zu bearbeiten und Projekte durchzuführen auch gegen Widerstände und
beides über einen längeren Zeitraum …
Überzeugungsvermögen als Soft Skill im Soft Skills Würfel von André Moritz
Argumentieren, Manipulieren, Überzeugen
Überzeugungsvermögen beschreibt die Fähigkeit, sich in der kommunikativen Auseinandersetzung mit anderen argumentativ behaupten zu können, d.h. durch Sachinhalte, Rhetorik und Ausstrahlung den eigenen Standpunkt so weit wie möglich gegen entgegengesetzte Argumentationen zu etablieren …
Verhandlungsgeschick als Soft Skill im Soft Skills Würfel von André Moritz
Verhandlungsstrategien und Verhandlungstricks
Verhandlungskompetenz beschreibt die Bereitschaft und Fähigkeit, Verhandlungen effektiv und effizient zu führen. Dabei geht hier primär um Verhandlungen aus dem geschäftlichen und politischen Umfeld, weniger um Verhandlungen im Sinne von Konfliktvermittlung (Mediation). Dieser …
Überzeugen, verhandeln…
Stichwort Überzeugungsvermögen und Überzeugungskraft: Kaum ein Business-Modell lässt sich autark im Keller aufziehen. Die meisten Geschäftsideen erfordern mehr oder weniger viel Kontakt zu externen Partnern, Dienstleistern, Kunden, Lieferanten. Und oftmals steht schon vor der eigentlichen Gründung so manche Hürde, die man nur aus dem Weg geräumt bekommt, wenn man andere von seiner Idee überzeugt bekommt. Das kann vorweg im privaten Rahmen der Lebenspartner, die Eltern o.ä. sein, wenn man z.B. einen gut bezahlten stabil-sicheren Job für die Geschäftsidee aufgeben will. Oder nach dem Studium einen eben solchen angebotenen nicht annimmt, weil man lieber in die Gründung einer selbstständigen, unternehmerischen Tätigkeit gehen will. Vor allen Dingen ist das Überzeugungsvermögen aber regelmäßig gefragt, wenn es an die Finanzierung der Idee und des dahinterliegenden Geschäftsmodells und Geschäftsbetriebs geht. Denn je nach konkretem Geschäft und je nach vorhandener Eigenkapital-Ausstattung bedarf es in den meisten Fällen mehr oder weniger viel Fremdkapital, um die ganze Sache ans Laufen zu bringen. Und egal, ob der Geldgeber klassisch die Bank ist, eine Crowdfunding-Gemeinde zu überzeugen ist oder man Geld aus dem privaten Umfeld leihen will: Wer andere nicht persönlich und mit belastbaren Fakten oder zumindest glaubwürdigen, plausiblen Vorhersagen und Plänen überzeugen kann, wird kaum an eben solches Fremdkapital kommen.
Und wenn man schon bei Überzeugungsvermögen ist, dann ist es in unserem Gründerkontext auch nicht weit zur Forderung nach Verhandlungsgeschick. Denn selbst wenn man Banker oder Kunden prinzipiell (fast) überzeugt hat, sind die Details einer Einigung noch lange nicht ausgemacht. Seien es die Konditionen für ein Darlehen oder der zu berechnende Preis für ein Produkt oder eine Leistung, die man jemandem verkauft. Denn auch wenn Gründer sehr großzügig von der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) mit Existenzgründungsförderungen unterstützt werden, so genügt das allein für die Finanzierung oft nicht, und ohne überzeugenden Finanzplan und gutes Verhandeln mit dem Bankberater kommt man in Summe selten zu einer günstigen Existenzgründungsfinanzierung.
Sich selbst und seine Zeit, Ziele, Wünsche, Aufgaben managen…
Schnell sind wir dann noch bei den anfangs genannten Zeitmanagement-Skills: Natürlich kann man verargumentieren, dass Fähigkeiten zu gutem Zeitmanagement eigentlich ja jeder braucht oder gut gebrauchen kann – nicht nur, oder nicht explizit Gründer. Letztlich hat ja eines jeden Menschen Tag eben diese 24h. Nicht mehr, nicht weniger. Und die füllen sich in der Regel bei den meisten Menschen schneller, als ihnen lieb ist. Bzw. andersherum: die meisten Menschen haben das Gefühl, „nicht genug Zeit zu haben“. Das liegt natürlich (auch) daran, dass wir so viele Optionen haben, unsere Zeit zu verbringen. Und dass diese alle um die knappe Ressource „Zeit“ ringen. Dass es dabei nicht nur um zu erledigende Aufgaben geht, sondern eben auch die TV-Serie, die man sehen möchte, den Freund/Freundin, die man mal wieder besuchen will, die Zeit, die man sich mal wieder „für sich selbst“ zur Entspannung nehmen will u.v.a.m. – Warum nun aber auch Existenzgründer insbesondere gute Zeit- und Selbstmanagement-Fähigkeiten gebrauchen können? Das liegt daran, dass sie eben keinen fix strukturierten Arbeitstag haben, wie exemplarisch ein Sachbearbeiter in einer Behörde mit einem 38,5 Arbeitsstunden-Vertrag und festen Arbeitszeiten ohne Gleitzeitoption. Letzterer hat eine klare Tagesstruktur im Job, und es gibt eine weitestgehend klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit. Der angehende Selbstständige hingegen kennt das Konzept von „Feierabend“ oftmals nicht. Weil er es unter Umständen kann und will, neigt er dazu, jede freie Minute mit Aufgaben im Kontext seines Geschäfts zu füllen. Da will dieses Marketingkonzept noch gemacht werden, hier ein Lieferant ausgewählt werden, dort Administrationskram im Kontext der Buchführung erledigt werden und, und, und. – Wer hier nicht auf Dauer nach Gier und Euphorie erschöpft ausbrennen will, braucht Skills im Kontext von Selbstmanagement und Zeitmanagement sehr dringend. Prioritätensetzung, das Ziehen klarer Grenzen, Nein-Sagen, Delegieren etc. pp. – ohne all das wird der Gründer „absaufen“ in der Masse der Must-DOs, Wanna-DOs und Nice-to-DOs. Und in diesem Kontext ist es sicherlich sinnvoll, sich mit Themen wie Stressoren, Stressprävention und Stressbewältigung sowie Resilienz auseinanderzusetzen.
Soft Skills für Gründer, die nah am Kunden sind…
Die obigen Fähigkeiten, Eigenschaften, Kompetenzen orientieren sich an den Anforderungen des Gründens, Betreibens und Wachsens eines Unternehmen im administrativen Sinne. Was dabei (noch) weitestgehend außen vor blieb: die menschlichen und kommunikativen Skills im Umgang mit dem Kunden (siehe Neukunden gewinnen). Kommunikative Skills aus Bereichen der Rhetorik, Empathie, vielleicht auch Schlagfertigkeit, Menschenkenntnis und weitere.
Hier zeigt sich, was wir im Artikel eingangs schon andiskutiert haben: Das Kompetenzprofil, das einem Gründer abverlangt wird, damit er vermeintlich erfolgreich selbstständig tätig sein kann, hängt stark vom Geschäftsmodell und Geschäftsalltag ab. Ein Freelancer-Programmierer, der seine Aufträge über globale Freelancer-Marktplätze zieht und arbeitet, braucht vermutlich relativ wenig Empathiefähigkeit und Sensibilität, was nonverbale Kommunikation angeht – zumindest verglichen zu einem Psychologen, der sich mit einer eigenen Psychotherapie-Praxis selbstständig macht und Tag für Tag mit Klienten im gesprächstherapeutischen Dialog steht.
Ein Berater oder freiberuflicher Mediator beispielsweise ist gut bedient, ausgeprägte Fähigkeiten zu systemischem Denken mitzubringen, was man für den Betrieb einer Eisdiele vielleicht weniger braucht. – Jemand, der sich als Recruiting-Dienstleister (Personalvermittler) in einer bestimmten Branche etablieren will, braucht die eingangs genannte Menschenkenntnis, Kenntnisse über Persönlichkeitsmodelle à la DISG & Co. – Braucht das jemand, der einen Onlineshop für KFZ-Tuning-Teile aufmachen will? Wohl weniger.
Existenzgründer, die früh mit Angestellten starten…
Beleuchtet man die Anforderungen an die „wichtigsten Soft Skills für Existenzgründer“ aus der Perspektive der Mitarbeiterführung, sieht die Liste wiederum anders aus, oder eben länger. Denn lässt sich eine Geschäftsidee schon vom Start weg nur im Team bzw. mit Mitarbeitern realisieren, sind wieder andere bzw. weitere Fähigkeiten gefordert. Plötzlich tauchen in der „fiktiven Stellenausschreibung“, die man sich selbst schreiben könnte, zum Beispiel Schlagworte auf wie: Führungsqualitäten, kooperativer Führungsstil, Durchsetzungsvermögen. Und wenn man vielleicht nicht mit hierarchisch untergeordneten Angestellten startet, sondern im Gründerteam? Dann heißt es: Teamfähigkeit, konstruktive Streitkultur, Fähigkeiten im Kontext von Metakommunikation (wie reden wir miteinander? – zum Beispiel nach dem bewährten Konzept der Gewaltfreien Kommunikation, unter Verzicht auf Totschlagargumente etc. pp.)
Fazit: Es gibt nicht die Gründer-Skills, aber viele sinnvolle Fähigkeiten
Die vorgenannten Ausführungen sollten gezeigt haben, dass es nicht die ultimativen X Soft Skills für Gründer gibt. Einige Anforderungen gelten zwar relativ pauschal für viele Geschäftsgründungen. Letztlich hängt das konkrete Anforderungsprofil – wie auch bei jedem Angestelltenjob – von der konkreten Branche, Aufgabe, dem Maß an Kundenkontakt, dem Vorhandensein von Mitarbeitern etc. ab.
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